Aachener Nachrichten, 4.5.12: 92 000 Bäume in den städtischen Grünanlagen

Im Umweltausschuss legt die Verwaltung eine „Grünbilanz“ vor. Die Linken hatten sie 2009 beantragt. Keine „kontinuierlichen Einzelerfassung“ aller Gewächse.

Aachen, 4. Mai 2012

Von Werner Czempas

Foto: BegolliGeht es den Bäumen ans Leben, am Templergraben oder am Klinikum oder andernorts, sind für das städtische Grün sensibilisierte Bürger wachsam zur Stelle. Dann streiten die Politiker über die Baumbilanz, ob die denn nun positiv sei oder negativ, also um die Frage, ob in der Stadt mehr neue Bäume gepflanzt als alte gefällt werden. Vielleicht hätten sich alle Beteiligten manche Aufregung ersparen können – ja, wenn die Verwaltung einem Antrag der Linken frühzeitig etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätte.

Der Antrag ist alt. Schon am 18. März 2009 brachte die Fraktion der Linken im Stadtrat ihre Forderung nach einer „Erstellung einer Grünbilanz für die Stadt Aachen“ ein und bat, darüber „zeitnah“ zu berichten.

Doch sage und schreibe drei Jahre später erst kam die Verwaltung im Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz zu Potte. Ob des Ergebnisses der mehrjährigen Anstrengung konnte sich im Ausschuss Linken-Vertreter Jörg Hofmann sanften Spott nicht verkneifen: „Nach drei Jahren mit heißer Nadel gestrickt.“

Gefällt und neu gepflanzt

Weit vor den aktuellen innerstädtischen Baumfäll-Aktionen regten die Linken unter anderem an, für die Grünbilanz Bäume, Sträucher, Hecken und Grünflächen und die Zahl der gefällten sowie neu gepflanzten Bäume zu erfassen. So werde eine Basis geschaffen, die CO2-Verarbeitung und die Feinstaubbindung genau zu berechnen.

Auch in „wild gewachsenen“ Grünbereichen solle die Artenvielfalt untersucht werden. „Mit der häufigen Beseitigung von Bäumen, Sträuchern und Hecken wird die ökologisch, klimatisch und ästhetisch bedeutsame Gesamtmenge des städtischen Grüns unerwünscht reduziert“, begründeten die Linken ihren Antrag. Neuanpflanzungen könnten große alte Bäume ebenso wie in Jahren gewachsene verwilderte Bäume, Gesträuch und Bodenbewachsung „mit oft erheblicher botanischer und zoologischer Artenvielfalt nicht und nur sehr allmählich ersetzen“.

An „ein wenig Mut zur Wildnis“ appellierten die Linken. Neu angelegte Grünbereiche aus pflegeleichtem „englischen“ Rasen – „ökologisch fast so wirksam wie eine löchrige Kunststoffmatte“ –seien wesentlich artenärmer als verwilderte. „Die Fähigkeit, die CO2-Bilanz zu verbessern, Abgase zu filtern und damit die Luftqualität unserer Stadt zu verbessern, steigt mit jedem Blatt, gleich ob von Löwenzahn oder Rotbuche.“

Nun hat die Stadt seit 2009 in einer „Luftbild-Auswertung“ alle städtischen Parkanlagen, Friedhöfe, Spiel- und Sportplätze, Straßen-Begleitgrünflächen sowie die Außenräume von öffentlichen Gebäuden erfasst. Die im Ausschuss präsentierte Bilanz, angegeben jeweils in Hektar: Grün- und Parkanlagen 222, Spielplätze 51, Straßengrün 217, Sportflächen 87, Friedhöfe 160, Kleingärten 93, Gebäude-Außenanlagen mit Schulen und Kindergärten 106, Wald 2974 und Flächen für die Landwirtschaft 6505.

Der Baumbestand allein in den städtischen Grünanlagen belaufe sich auf zirka 92 200 Stück. Hinzu kämen noch sämtliche anderen Grünflächen, Gehölz- und Waldbestände in privatem Besitz.

Die erteilten Fällgenehmigungen, auch solche für Bäume auf privaten Grundstücken, seien vollständig dokumentiert, so die Verwaltung. Über diese Luftbild-Auswertung hinaus sei aber der Wunsch der Linken, wie im Ausschuss nochmals von Jörg Hofmann als Antrag wiederholt, nach einer „kontinuierlichen Einzelerfassung von Bäumen, Sträuchern und Hecken über den Bereich der städtischen Grünflächen hinaus“ allerdings „mit den vorhandenen Ressourcen nicht zu bewerkstelligen“. Soll heißen: Dazu fehlen Personal und Geld. Umweltdezernentin Gisela Nacken: „Eine personelle Kraftanstrengung, die uns überfordert. Wir geben gerne einmal jährlich einen Bericht.“

Schwarz-Grüne Politiker pflichteten bei. „Alle Zahlen sind bekannt und abrufbar“, erklärte Ferdi Corsten (CDU). Mit weiteren Bilanzen solle „nicht noch mehr Arbeitskraft“ gebunden werden. „Wir brauchen so ein Instrument nicht“, meinte auch Jochen Luczak von den Grünen. Das sei „zu viel Statistik, es geht doch nicht wie beim Fußball um den Tabellenstand“. Von der „ganz aktiven“ Verwaltung werde „viel geleistet“, rühmte Iris Lürken (CDU): „Wir sollten sie nicht zwingen, die Bäume einzeln zu zählen.“

Maßnahmenplan

Die SPD beteiligte sich nicht am Disput, stimmte aber mit CDU und Grünen gegen den Antrag der Linken. Ausschuss-Vorsitzende Sabine Göddenhenrich: „Es ist nicht unser Hauptanliegen, dass alle Bäume gezählt werden.“

Zuvor hatte die Grüne einen gemeinsamen Ratsantrag von CDU und Grünen verteilt. Titel: „Maßnahmenplan für Grünflächen und Baumpflanzungen im Stadtgebiet.“

Darin soll die Verwaltung ermitteln, „an welchen Stellen in Aachen mittel- bis langfristig weitere Grünflächen angelegt und neue Bäume gepflanzt werden können“. Nicht nur die Linken, die vor drei Jahren die „Grünbilanz“ angeregt hatten, werden der erneuten „personellen Kraftanstrengung“ (Nacken) der Verwaltung gebannt entgegenblicken.