Avantis: „Killerkriterien“ werden fallen
Aachen, 29. September 2011
Der bittere Scherz, das so hochfliegend gestartete grenzüberschreitende Gewerbegebiet Avantis als „Atlantis“ zu titulieren, ist zwar nicht neu, passt aktuell aber immer noch. Das rund eine Million Quadratmeter große Gelände wartet und wartet und wartet auf potente Firmen, die sich dort niederlassen wollen. Das mag auch an den Rahmenbedingungen liegen, denn seinerzeit wurden Ansiedlungskriterien festgezurrt, nach denen manches Unternehmen gar nicht dorthin kommen könnte, selbst wenn es wollte. Ein Beispiel mag eine große Spedition sein, die derzeit am Westbahnhof sitzt, dort aber wegen des Campus West irgendwann wegziehen wird. In Avantis wäre Platz, aber... Hinter verschlossenen Türen ist deswegen bereits in Politik und Verwaltung überlegt worden, die strengen Auswahlkriterien aufzulockern. Wie das aussehen könnte, wollten Oliver Schmetz und Stephan Mohne von den Fraktionsvorsitzenden der Ratsparteien wissen und haben gefragt:
- Was halten Sie von der Idee, die Ansiedlungsbeschränkungen für das Gewerbegebiet Avantis zu lockern?
- Welche Nutzungen wären im Gegensatz zu heute denkbar?
Das Gewerbegebiet Avantis war eine gigantische Fehlplanung. Leider kann man das Projekt nicht rückabwickeln. Viel Geld ist schon in das Fiasko geflossen. Es bleibt also nichts anderes übrig, als weiter um ansiedlungswillige Firmen zu werben. Manche Beschränkung muss wohl gelockert werden. Die Linke ist dabei jeweils für eine Entscheidung im Einzelfall.
Wir hätten es gerne gesehen, wenn sich die RWTH im Rahmen der Campus-Pläne für das Gelände interessiert hätte. Hat sie aber nicht. Wenn man über neue Nutzungen nachdenkt, drängt sich der Bereich „Lager und Logistik“ auf. Der ist aus Sicht des Umweltschutzes grenzwertig, hat aber den Vorzug, einfache Arbeitsplätze zu schaffen, die in Aachen fehlen.
Die Meinung der anderen Fraktionen =>
Harald Baal, CDU
Bei dieser Frage muss man die Entwicklung in der gesamten Stadt betrachten. Denn es wird ja auch der Campus entwickelt – und im Moment schaut man, was hilfreich für diese Entwicklung ist. So kann man sich schon die Frage stellen, ob Avantis nicht einen „Relaunch“ braucht, weil man sich das anders vorgestellt hat und man sich fragt, was man anders machen könnte.
Es ist nach wie vor wünschenswert, wenn sich dort Firmen ansiedeln, die zum Profil einer Wissenschafts- und Bildungsstadt passen. Aber Aachen braucht auch Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor. Bei der Frage nach Windkraftanlagen muss man sehen, was die Umweltverträglichkeitsprüfung ergibt. In direkter Nähe zu den Gebäuden ist das wohl schwierig.
Heiner Höfken, SPD
Es ist nach meiner persönlichen Auffassung schon zu hinterfragen, ob utopische Forderungen bei der Unternehmensansiedlung in Avantis noch Sinn machen. Ich habe kein Problem damit, dass diese Frage gestellt wird. Schließlich kostet das Ganze die Stadt ja auch eine ganze Stange Geld. Und das muss man gerade angesichts der prekären Finanzlage von Aachen im Hinterkopf behalten.
Ich denke, man sollte auf jeden Fall über Windkraftanlagen dort nachdenken. Außerdem sollte man jeden Ansiedlungswunsch zumindest wohlwollend prüfen. Die Bandbreite der Möglichkeiten ist da ja sehr groß.
Wilhelm Helg, FDP
Die FDP war ein starker Befürworter von Avantis, und wir sehen nach wie vor das große Potenzial. Aber wir haben auch immer auf die zu exklusiven Anforderungen, die zu hohen Öko-Standards und die schlechte Verkehrsanbindung als Hemmschuh für die Entwicklung hingewiesen. Avantis ist schlicht zu teuer. Leider sind wir in unseren Befürchtungen bestätigt worden. Insofern sind wir froh, dass einige Beschränkungen nun endlich gelockert werden.
Avantis muss versuchen, sich als ergänzender Gewerbepark zum Campus-Melaten zu positionieren und für Forschungsunternehmen oder Ausgründungen der RWTH attraktiv zu werden, die die Nähe zur RWTH suchen, sich aber nicht direkt auf dem Campus ansiedeln können oder wollen. Hierin sehen wir ein Alleinstellungsmerkmal von Avantis, das im Marketing herausgestellt werden sollte.
Ulla Griepentrog, DIE GRÜNEN
Wir denken auch, dass das Ansiedlungsprofil für das Gewerbegebiet nach mehr als zehn Jahren überarbeitet werden muss. Viele der damals angedachten Nutzungen für Forschung, Entwicklung und Zukunftstechnologien passen heute besser in die Campusentwicklung. Wir sollten auch kleineren Unternehmen kleinere Grundstücksparzellen anbieten. Die mitten durch das Gebiet geplante Bahntrasse wird sicher in einem anderen Verlauf realisiert. Wir möchten den Grünflächenanteil und Gestaltungsanspruch erhalten wissen.
Weniger Forschung und Büros, sondern hoffentlich mehr produzierendes Gewerbe mit entsprechendem Arbeitsplatzangebot. Die ansässige Firma Solland (Photovoltaik) ist ein gutes Beispiel. Auch die Verlagerung eines Logistikunternehmens, welches heute im Planungsbereich Campus West angesiedelt ist, halten wir für denkbar.