Aachener Nachrichten, 21.6.11: Bildungspaket auch für Flüchtlingskinder?
Einstimmiger Beschluss im Sozialausschuss: Die Stadt soll 40 000 Euro bereitstellen. Bund und Länder sollen Mängel im Gesetz beseitigen.
Antrag der Linken sorgt allerdings zunächst für ein Parteien-Scharmützel.
Von Werner Czempas
Aachen. Asylbewerber in Aachen können hoffen, dass auch ihre Kinder vom Bildungs- und Teilhabepaket profitieren. Der Sozialausschuss des Stadtrats macht Druck.
Einstimmig beauftragte der Ausschuss die Verwaltung, „schnellstmöglich“ – schon für die nächste Sitzung des Rats – „die Voraussetzungen dafür zu schaffen“, dass die Leistungen auch Kindern von Flüchtlingen gewährt werden, die noch keine vier Jahre in der Stadt leben. Der Stadtrat soll zugleich betonen, dass die „gesetzgeberische Zuständigkeit zur Beseitigung der Mängel des Bildungs- und Teilhabepakets beim Bund und bei den Ländern liegt“.
Unter dem Motto „Mitmachen möglich machen“ preist Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen das Bildungs- und Teilhabepaket. Fehler oder Lücke im Gesetz: Arme Flüchtlingskinder, die noch keine vier Jahre in einer Kommune leben, haben keinen Anspruch auf mehr „Mitmachen“.
„Beschämend” (Margret Schulz, SPD) fanden das die Politiker im Sozialausschuss. In Aachen sind 130 Kinder betroffen (wir berichteten). Heinrich Emonts, Leiter des Fachbereichs Soziales und Integration, erläuterte, derzeit gebe es rechtlich keine Möglichkeit, den Kindern zu helfen. Mit einer eventuell klärenden Verordnung sei erst Ende Juli zu rechnen. Die Stadt könne allenfalls freiwillig leisten, was jährlich 40 000 Euro koste.
Dass sich der Sozialausschuss zu einem klaren Auftrag an die Verwaltung und der Forderung an den Gesetzgeber, Mängel schleunigst zu beseitigen, einstimmig durchrang, mag dem Vorgehen des Linken-Vertreters Leo Deumens zuzusprechen sein. Deumens bezeichnete den Ausschluss der Asyl-Kinder nicht nur als beschämend, sondern schlichtweg als „Skandal“. Für die Linke beantragte er, im städtischen Haushalt für die betroffenen 130 Kinder die erforderlichen 40 000 Euro parat zu stellen.
Das übliche Bauchgrimmen
Anträge der Linken sorgen stets für Bauchgrimmen bei der Konkurrenz. So auch hier. Einen „Verstoß gegen das Gesetz“ sah Martin Künzer (SPD), werde dem Antrag gefolgt. Aachen stehe im Verbund mit den anderen Kommunen, und die könnten „nicht nach dem Prinzip verfahren, wo Bund und Land versagen, springen wir ein“. Gleichwohl solle die Stadt aktiv werden und die Kämmerin zur nächsten Ausschusssitzung einen Vorschlag erarbeiten, wie die 130 Kinder ins Bildungspaket einbezogen werden könnten. „Wir sind eine soziale Stadt“, fügte Ausschussvorsitzende Rosa Höller-Radtke hinzu und verschärfte den Vorschlag dahingehend, die Verwaltung möge „schnellstmöglich” – schon in der nächsten Ratssitzung einen Weg weisen.
Hier der Antrag der Linken, der Gefahr lief, abgeschmettert zu werden, was keinen guten öffentlichen Eindruck hinterlassen hätte, dort die weichere Tour eines Kompromisses – wie rauskommen aus der Malaise? Elisabeth Lassay (Grüne) baute die Brücke: „Wir sind uns inhaltlich doch sehr nahe. Wir wollen alle das politische Signal setzen: Die Stadt Aachen möchte, dass auch die Kinder von Asylbewerbern in den Genuss der Leistungen kommen. Das wollen wir als politischen Auftrag an Bund und Land weitergeben.”
Das Parteien-Scharmützel war beendet, Deumens ließ Antrag Antrag sein und marschierte zufrieden auf die Brücke. Der Rat soll’s nun richten, am Mittwoch, 6. Juli.