Aachener Nachrichten, 1.3.11: Wermutstropfen im Eierkuchen
Bericht über das „Büro für Ehrenamt und ehrenamtliches Engagement“ stößt im Sozialausschuss auf allgemeines Wohlwollen, die Kürzungspläne der Stadt nicht.
Streichungen in der Arbeitsmarktpolitik.
Von Werner Czempas Aachen.
In der jüngsten Sitzung des Sozialausschusses des Aachener Stadtrats hätte zumindest zeitweise Friede, Freude, Eierkuchen herrschen können. Zwei Damen aus dem städtischen „Büro für Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement“ referierten nämlich anschaulich, wie ihre im OB-Büro angesiedelte Stelle für ehrenamtlich interessierte Bürger, Vereine und Organisationen arbeitet.
Fast 4 000 Ehrenamtspässe wurden ausgestellt, im Internet gibt es monatlich rund 8 000 Zugriffe aufs Büro, eine Stellenbörse vermittelt ehrenamtliche Kräfte, derzeit führt sie mehr als 100 Angebote aus 88 Vereinen und Organisationen.
Das Jahr 2011 ist zum „Europäischen Jahr für Freiwilligentätigkeit“ ausgerufen worden. Mit Werbekampagnen, Infoständen, Freiwilligentag, Fortbildungen und einer Presseserie über Ehrenamtliche wird das Büro dabei sein. Vorbildlich, welche Vielfalt, schwärmten die Politiker im Sozialausschuss. Doch zum Friede-Freude-Eierkuchen-Gefühl kam es dann doch nicht, denn Dezernent Heinrich Lindgens träufelte ganz nebenbei und rein informativ bitter schmeckende Wermutstropfen in den Eierkuchen.
Denn: Die Stadt will zwei ehrenamtlich bestens funktionierenden „Freiwilligenzentren“ im sozialen Bereich – das eine gemanagt von der Caritas, das andere von der Arbeiterwohlfahrt und dem DRK – den jährlichen Zuschuss von 60 000 Euro auf die Hälfte kappen. In der kommenden Etat-Debatte steht die drastische Kürzung an, und die schwarz-grüne Ratsmehrheit wird sie tragen. Die Opposition dagegen fürchtet, bei den Wohlfahrtsverbänden werde soziales Engagement zerschlagen.
Ein entsetzter Ratsherr Andreas Müller (Linke) an die Adresse von CDU und Grünen: „Wieso kommen Sie auf die Idee, da etwas zu sparen?“ Den von Margret Schulz (SPD) initiierten Antrag, dem Hauptausschuss die Ablehnung der Kürzungen zu empfehlen, lehnte Schwarz-Grün ab. Der Sozialpolitiker Müller hatte beim nächsten Thema erneut Gelegenheit, sich zu wundern. Die Linke hatte einen „Sachstandsbericht über die künftige Entwicklung der aktiven Arbeitsmarktpolitik in der Städteregion Aachen unter dem Diktat des Sparpakets“ gefordert. Fakt: Der Bund kürzt die Mittel für die Arbeitsmarktpolitik deutlich, die Städteregion Aachen wird allein in diesem Jahr knapp 16 Millionen Euro weniger erhalten. Die Hälfte, fast acht Millionen Euro, geht zu Lasten der Stadt Aachen. Dezernent Heinrich Lindgens: „Ich bin nicht in der Lage, darzulegen, wie die Stadt diese Ausfälle ausgleichen könnte.“Drei aus einer Fülle von Fragen der Linken: Welche Eingliederungsmaßnahmen sind besonders von den Kürzungen betroffen? Wie hoch ist die Zahl der Betroffenen, die durch Streichungen von Maßnahmen in die Arbeitslosigkeit zurückfallen? Wie wirkt sich die Reduzierung der Mittel auf die Trägerschaft in der Region aus? Nun hatte Geschäftsführer Graaf vom zuständigen Jobcenter der Städteregion als Antwort auf knapp 30 Seiten zwar jede Menge Zahlen, Grafiken und Paragraphen zusammengetragen, aber wie sich letzten Endes die Berliner Spar-Orgie auf Stadt und Region Aachen auswirkt, erschließt sich auch aus der Graafschen Fleißarbeit nicht.
„Das sind doch dramatische Einschnitte, die vor Ort zu enormen Problemen führen werden“, bemerkte Andreas Müller. Es sei zu befürchten, dass „alteingesessene Aachener Träger von Eingliederungsmaßnahmen“ Personal entlassen müssten. Müller: „Wir können uns nicht hinter der Arbeitsagentur verstecken. Was wird aus den Arbeitsmarkt-Projekten, die wir angeschoben haben, zum Beispiel dem City-Service? Es ist nicht hinnehmbar, dass sich der Sozialausschuss nicht damit befasst. Ich würde gerne hören, wie die Verwaltung mit dem Problem umzugehen gedenkt.“ Allein, die Verwaltung hatte fürs erste keine Antworten parat. Wenn ab 1. April das Sparpaket voll ins Kontor haut, will sie „zeitnah“ berichten.
„Ich bin nicht in der Lage, darzulegen, wie die Stadt diese Ausfälle ausgleichen könnte.“ Heinrich Lindgens, Dezernent