Viele gute Noten für den jungen OB, aber auch Kritik
Am 21. Oktober 2009, vor exakt einem Jahr, wurde Aachens neuer Oberbürgermeister Marcel Philipp in sein Amt eingeführt. Nach 20 Jahren löste der Christdemokrat seinen Vorgänger Jürgen Linden von der SPD ab. Bei der Kommunalwahl im August vergangenen Jahres hatte Philipp die Direktwahl gewonnen, gleichzeitig kam in Aachen erstmals ein schwarz-grünes Bündnis zustande. Von den Vorsitzenden der Ratsfraktionen wollten die „Nachrichten“ wissen, wie sie Philipps Arbeit und Auftreten nach zwölf Monaten im Rathaus beurteilen. (ast)
Andreas Müller Fraktionschef der Linken
„Positiv sehen wir, dass Marcel Philipp mit den Fraktionen anders umgeht als sein Amtsvorgänger, die Leitung von Sitzungen spielt sich jetzt auf einer ganz anderen Ebene ab. Hoch anzurechnen ist ihm auch sein deutliches und schnelles Eingreifen gegen Aufmärsche der Neonazis. In seiner freundlichen Art ist er ein gutes Aushängeschild der Stadt. Dafür hat er ein sehr unglückliches Händchen gehabt im Umgang mit dem Personalrat, als es um Einsparungen und Kürzungen in der Verwaltung ging. Überhaupt müssen wir jetzt abwarten, wie er die Nagelprobe Haushalt 2011 besteht, das wird echt spannend. Und wie er die Riesenaufgabe Campus meistert und die eventuellen Proteste.“
Harald Baal Vorsitzender der CDU-Fraktion
„Er macht seine Sache sehr gut, die Resonanz in der Bevölkerung und bei Verbänden und Vereinen ist mehr als positiv. Immerhin musste er eine 180-Grad-Wende vollziehen, vom Chef eines Handwerksbetriebs zum Leiter einer riesigen Behörde. Da gibt es noch Entwicklungsmöglichkeiten, aber Marcel Philipp ist in diesem Job angekommen. Vor allem pflegt er mit Mitarbeitern einen sehr viel direkteren Umgang als sein Vorgänger, was für jeden Beamtenapparat schwierig ist, da die Hierarchien wegbrechen. Was Marcel Philipps Außendarstellung angeht, so ist sie einfach souverän, nicht erst seit seiner Rede zum 60-jährigen Jubiläum des Karlspreises. Sein öffentlicher Einsatz gegen Rechts ist zudem vorbildlich.“
Heiner Höfken Fraktionschef der SPD
„Der neue OB vertritt die Stadt nach außen besser als von uns erwartet, er ist sympathisch, die Zusammenarbeit mit ihm klappt gut – nur zu sagen hat er politisch nichts. Bei allem, was er tut, muss er den Koalitionsausschuss fragen, und da haben die Grünen das Sagen. Es wedelt nämlich der Schwanz mit dem Hund, und der Oberbürgermeister wird mitgewedelt. Man kann sagen: Er hängt doch sehr am Tropf der Politik. Seine Arbeit als Verwaltungschef halte ich zudem für einigermaßen ausbaufähig. Auch wie er zurzeit das Thema Haushaltskonsolidierung managt, ist nicht das Gelbe vom Ei, ich finde seine Herangehensweise nicht überzeugend.“
Michael Rau Fraktionssprecher der Grünen
„Ich finde, Marcel Philipp schlägt sich wirklich gut, vor allem pflegt er einen sehr kommunikativen Umgang mit der Politik – gerade uns Grünen als dem kleineren Koalitionspartner tritt er ausgesprochen sachlich gegenüber, alles spielt sich absolut auf Augenhöhe ab. Was Rathaus und Verwaltung angehen: Es gibt immer Dinge, die zu verbessern sind. Fest steht, dass der Führungsstil ein völlig anderer geworden ist. Es ist natürlich schwer, in einem Jahr Akzente zu setzen, zumal der neue OB viele Dinge geerbt hat, wie etwa die Städteregion. Der neue Haushalt ist sein ureigenes Thema, und da muss er einiges einlösen. Auf jeden Fall geht er hochmotiviert an diese Aufgabe heran.“
Wilhelm Helg Vorsitzender der FDP-Fraktion
„Ich bewerte die bisherige Arbeit des OB als sehr gut, selbst im Vergleich mit den 20 Amtsjahren seines Vorgängers. Ich sehe da keinen großen Unterschied, dieses Kompliment ist angebracht. Gravierende Fehler hat er bisher nicht gemacht, dass es schon mal hakt und zu Missverständnissen kommt, ist normal. Marcel Philipp hat sich kontinuierlich gesteigert, wobei die wirklich großen Aufgaben vor ihm liegen – der neue Haushalt und der RWTH-Campus. Mit unserer Unterstützung wird er das aber schaffen. Dass der Chef in einer großen Verwaltung nicht nur Freunde hat, liegt in der Natur der Sache, da gibt es nun mal verschiedene Interessen.“